In unserer Serie stellen wir
die Symbole vor, die die Menschen im Verlaufe der Geschichte begleitet haben.
Die Bedeutung der Symbole hat sich in Verbindung mit dem Leben verschiedener
Völker und Kulturen entwickelt und gestaltet. Heute untersuchen wir das Ei des
Ursprungs, genauer gesagt das Symbol für das Ei des Ursprungs.
Die Frage, was zuerst da war: das Huhn oder das Ei, ist
wohl eine der ältesten Fragen die die Menschheit beschäftigt und auf die bis
heute keine richtige Antwort gefunden werden konnte. Aber wie kommt es, dass
das Symbol für das Ei des Ursprungs in Raum und Zeit voneinander getrennt in so
verschiedenen Kulturen auftaucht, wie zum Beispiel in der chinesischen, der
finnischen, der sumerischen oder der ägyptischen Kultur?
Das Ei des Ursprungs,
der Mythos der Abstammung ist eine Schöpfungsgeschichte und kein geografisches
Ereignis, wie zum Beispiel die Sintflut. Die Antwort auf die Frage ist
vermutlich im kollektiven Unterbewusstsein zu suchen. Es stammt irgendwoher aus
einer Welt, die es vor dem Leben gab, denn die Welt, die nicht die Form einer
gleichmäßigen Kugel hat, konnte niemand in der Stratosphäre von außen sehen.
Außerdem ist auch sehr schwer vorstellbar, dass unsere Vorfahren irgendwann
einmal ein riesiges Ei gesehen haben sollten, aus dem – nach dem Platzen der
Schale – das Universum entstanden ist. Deshalb besteht unsere Aufgabe darin,
eine symbolische Erklärung zu suchen.
Das Ei war – bevor die Schale platzte – androgyn, dass
heißt zweigeschlechtig, obwohl wir es hier zweifelsohne eher mit dem weiblichen
als mit dem männlichen Geschlecht zu tun haben. Nach seiner Spaltung in zwei
Teile versinnbildlicht die obere Schale meist die Sonne, den Himmel und die
oberen Energien, während der untere Teil, der Mond, die Erde und der
Meeresspiegel sich zum Symbol der Energien der Unterwelt entwickelt. Dabei
nimmt der Mann gleichzeitig die Merkmale der Sonne und die Frau die Merkmale
des Mondes an. Die Spaltung, also das Platzen der Schale könnte mit dem Urknall
gleichgesetzt werden.
Daneben verkörpert das Leben auch die Zerbrechlichkeit
und Veränderlichkeit des Universums. Die Neugeburt geht unweigerlich mit Zerstörung
(dem Bruch der Schale) einher, aber aus dem Abgrund steigt wie Phönix etwas
Neues empor; und aus dem Ei an sich wird das Leben selbst geboren. Bei der
Suche nach Analogie kommen wir zu dem Schluss, dass das Leben eine vergängliche
Sache ist, und dass derjenige, der geboren wurde, bald wieder in den Mutterleib
(in die Erde) zurückkehrt, und dann der Kreislauf erneut von vorn beginnt.
Das Ei ist das Symbol des Lebens und der Neugeburt. Es
ist gleichzeitig das Sinnbild für die Fruchtbarkeit. Das Bemalen der Ostereier
ist ein vom christlichen Feiertag unabhängiger alter Brauch: Die bemalten Eier
– insbesondere die roten – verkörpern die Gottesmutter, die alles lenkt und die
praktisch durch ihre eigene Befruchtung das Universum geschaffen hat.