In den verschiedenen Kulturkreisen misst man den von der Natur geschaffenen Gebilden oft magische und spirituelle Bedeutung bei. Unsere Serie beschäftigt sich mit verschiedenen geografischen Begriffen, die wir dieses Mal durch die Brille der Esoterik betrachten. Heute können Sie etwas über die Berge erfahren.
Das Meer ist ein „Lebewesen”. Der Anfang aller Dinge ist bei Gott, der überall lebendig zugegen ist, zu suchen. Er gibt uns Nahrung und Leben. Mitunter nimmt er es auch wieder zurück. Er lehrt uns Ehrfurcht und Demut. Denjenigen, die das nicht begreifen wollen, kommt das teuer zu stehen. Über das Meer zu herrschen und es in seiner Gewalt zu haben, ist eine ganz ungewöhnliche Sache: Erinnern Sie sich nur an den persischen König, Xerxes, der sehr hochmütig und blindwütig handelte, als er sich herausnahm, einen tatsächlich existierenden Gott, das heißt das Meer mit Ruten ausgeißeln zu lassen! Die Ironie des Schicksals besteht darin, dass der Ausgang der Schlacht bei den Thermopylen seine Handlung dennoch rechtfertigte.
Das Meer ist ohne Ausnahme immer weiblichen Geschlechts, denn es ist das Schoß des Lebens gleich dem einer Mutter. Sanft streichelnd nimmt es uns an seine Brust, aber – wenn es sein muss – kann es auch schonungslos und zornig sein. In der Antike hatte man eine heilige Scheu vor dem Meer, wofür es selbstverständlich eine rationale Erklärung gibt. Es war charakteristisch für die Seefahrer, dass sie sich in Ufernähe fortbewegten, nur wenige wagten sich aufs offene Meer. Die Seeleute konnten nicht einmal schwimmen, was übrigens auch in der Neuzeit noch oft vorkam. Die angeschwemmten Tiere erregten mitunter Schrecken; beim Anblick der Kadaver von Riesenkalmaren blieb den Menschen der Atem weg.
Es ist allgemein bekannt, dass das Meer auch heilen kann: Bei denjenigen, die in der Nähe von Salzwassern leben, ist die Wahrscheinlichkeit einer Erkrankung der Atemorgane oder der Schilddrüse geringer. Das Meer kann aber auch töten: Denken Sie nur an die Flutwellen und zerstörerischen Stürme, die der Beweis für den „Zorn” des Meeres sind. Das Meer gibt aber auch Reichtum: Mit der Erscheinung von Salinen erwarben die begünstigten Völker unbeschreibliche Macht und Einfluss. In Büchern der Traumdeutung ist das Meer das Symbol der Liebe und Sehnsucht nach Liebe.
Es ist ein sehr geheimnisvoller Ort, dessen Horizont sich im Trüben verliert. Das gewaltige Wasser hielt die Menschen sehr lange in seinem Bann. Die uns als Antike bekannte Welt war praktisch an der Straße von Gibraltar (wenn wir die Wikinger, die die andere Seite des Ozeans erreicht haben jetzt außer Acht lassen) zu Ende. Das uns aus Märchen bekannte, hinter Bergen und Tälern liegende Meer (manche vermuten, dass es sich hier um das Mittelmeer oder den Atlantischen Ozean handelt) ist ein Ort voller Geheimnisse und Gefahren, wo denjenigen, die dort vorbeikommen, teuflische Geschöpfe Angst bereiten. Der von Ehrfurcht durchdrungene Aberglaube hielt sich bis zur Neuzeit, als die Weltmeere schließlich restlos in die Karten aufgenommen wurden. Die Angst vor dem Unbekannten verschwand damit noch nicht endgültig. (Nehmen wir zum Beispiel die Ereignisse auf der Sargasso-See, die vor der Durchführung von biologischen Untersuchungen von vielen als Beweis der Existenz des Teufels betrachtet wurden).
Auch wenn wir heutzutage dazu neigen, das Meer einfach nur als salziges Wasser zu betrachten, dürfen wir keinen Augenblick vergessen, dass die launischen und unberechenbaren Wassermassen die Grundlage unserer Existenz sind. Seine Reinheit und die Unberührtheit der Lebensordnungen (wie zum Beispiel der Golf-Strom) ist die Voraussetzung zum Überleben. Wenn wir es auch nicht als lebenden Gott ansehen, sind zumindest die Ehrfurcht und Ergebenheit heute ebenso wichtig wie vor Jahrtausenden.